V. Beispiel Schweden

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Die im vorigen Kapitel zunächst nur abstrakt angesprochenen lokalen und nationalen Einflüsse sollen nachfolgend am Beispiel Schwedens konkretisiert werden.

1. Land: Größe, geographische Lage und klimatische Bedingungen

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Flächenmäßig ist Schweden mit einer Gesamtoberfläche von 486 661 Quadratkilometern, das viertgrößte Land Europas.418 Signifikant ist die nördliche Lage des Landes: „Schweden liegt zwischen 55°20’ und 69°4’ nördlicher Breite; das entspricht der Lage von Labrador, Alaska und Sibirien. In Nord-Süd-Richtung erstreckt sich das Land über 1 574 Kilometer, in Ost-West-Richtung maximal über 499 Kilometer.“419 Mit einer Einwohnerzahl von 9 Millionen Menschen ist es hingegen ein kleines Land.420

Das relativ bevölkerungsarme Land begünstigt durch die dadurch geschaffene Überschaubarkeit, dass Werte, Traditionen und Eigentümlichkeiten leicht und schnell an andere weitergegeben werden; leichter als in einem Land mit 80 Millionen Einwohnern. Die regionalen Unterschiede sind nicht groß. Die schwedische Kultur ist ziemlich homogen.421

Aus der geographischen Lage Schwedens wird oft gefolgert, es handle sich um ein abgeschottetes Land: „Yet Swedes have themselves a sense of being ,on the edge’, of being a culture marginal to major world alliances and bodies of opinion.“422 Maccoby beschreibt in seinem Buch „Sweden on the Edge” die Formen der Abschottung in verschiedenen Zusammenhängen, beispielsweise: „on the edge of Europe geographically”, „and her powerful social democratic welfare state puts her on the ‘soft’ edge of capitalism”.423

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Schweden wurde von außen als armes und „unterentwickeltes“ Land betrachtet: „In the late nineteenth and early twentieth century, the image of an underdeveloped and poor country was one of the images of Sweden that were sent abroad, especially to the USA, (...).“424

Und doch scheint die Wirkung dieser geographischen Randlage eine internationale Ausrichtung der Wirtschaft eher zu fördern als zu verhindern: „Also, the limited home market meant that foreign operations from the start were crucial to the companies.“425

Es dürfte zutreffen, dass die als eher ungünstig angesehenen Bedingungen ein bestimmtes Verhalten hervorrufen und Schweden zu bestimmten Methoden zwingen. Schweden ist auf andere angewiesen und setzt diese Form der Abhängigkeit vielleicht auch in unternehmenskultureller Hinsicht, nämlich in eine stark international orientierte Ausrichtung um: „Sweden’s very limited manpower resources and her heavy reliance on exports, in a turbulent twentieth century, may be responsible for her outer-directedness.“426

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Lässt sich vielleicht gerade durch diese Bedingungen das Bestehen einer Vielzahl multinationaler und moderner Unternehmen begründen? Wirkt sich die erzwungene internationale Ausrichtung auch auf die Kultur der Unternehmen aus?

„Keep in mind that this small country maintains a rich quality of life by accepting the challenge of international competition. With less than half the population of Canada, it has larger, more successful multinational firms.”427

Schweden darf als „kleines“ Land in vielerlei Hinsicht nicht unterbewertet werden:

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„Sweden is widely regarded as a small, insulated exception to the universal rules of economic struggle, a sheltered haven in a turbulent world, an enclave that cannot hold out much longer against the inexorable forces of the market. But this will hardly do. Sweden must export 40 percent of its manufactured goods. It is, and has been since the late nineteenth century, a world economy highly exposed to trends in international trade.”428

Das Wetter, oder anders ausgedrückt, die klimatischen Bedingungen, beeinflussen stets

die Mentalität der Bewohner eines Landes. So haben auch die Bedingungen in Schweden Auswirkungen auf die Menschen des Landes: „Ein weiterer Kontrast geht ebenfalls auf die Lage zurück und hat seine unmittelbaren Wachstumsfolgen für die Vegetation, wie aber auch seine Auswirkungen auf die soziale und psychische Befindlichkeit der Menschen: Im nördlichen Lappland geht die Sonne von Mitte November bis Ende Februar nicht auf, von Ende Mai bis Mitte Juli geht sie nicht unter; die Extreme der Tag-Nacht-Längen sind bis Mittel- und Südschweden zu spüren.“429

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Lange, dunkle Winter und kurze, intensive Sommer gehen nicht spurlos an den Einwohnern vorüber. Vielleicht schreibt man daher den Schweden besonders die widersprüchlichen Eigenschaften „Zurückhaltung“ versus „Ausgelassenheit“ zu? Die mit der Lage einhergehenden Klimabedingungen können ganz erheblichen Einfluss auf das Verhalten und die Einstellung der Menschen auch im Hinblick auf die Art und Weise der Arbeitsmethoden aufweisen: Es ist davon auszugehen, dass diese geographischen Bedingungen, wie etwa die langen kalten Winter, das karge und arme Land und die dünnbesiedelten Flächen schon vor Jahrhunderten dazu geführt haben, dass die Schweden besondere pragmatische Begabungen und Anpassungsfähigkeit an äußere Umstände entwickelt haben.“430

Sogar der Erfindungsreichtum der Schweden wird als Ergebnis der geographischen und klimatischen Verhältnisse angesehen. Eine plausible Erklärung für die unbestreitbar vorhandene Innovationskraft scheint folgende zu sein: „Eine der glaubwürdigsten macht die Weitläufigkeit und die dünne Besiedlung des Landes sowie die großen Abstände und das strenge Klima dafür verantwortlich, dass in der Vergangenheit sowohl großer Erfindungsreichtum als auch für die Menschen von heute unvorstellbar harte Arbeit notwendig waren, um überhaupt zu überleben.“431

Auch ist bemerkenswert, dass Schweden – bedingt durch Lage und Klima – im Vergleich zu anderen Ländern in vielerlei Hinsicht, wie beispielsweise der Christianisierung oder aber auch der Industrialisierung – zunächst eher Nachzügler war. Dies hatte Einfluss auf die Entwicklung zu einer modernen und extrem fortschrittlichen Nation mit multinationalen Unternehmen, die weltweit agieren.

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„Die physischen Voraussetzungen haben für die schwedische Gesellschaft in Vergangenheit und Gegenwart politische, soziale, vor allem aber auch wirtschaftliche Folgen gehabt. So ist es auch auf die europäische Randlage zurückzuführen, daß Schweden seit dem Ende der Großmachtzeit um 1720 in der Politik keine maßgebliche Rolle mehr spielte; und so sind die natürlich vorgegebenen Extreme und die von der Physis bestimmten Kontraste maßgeblich bei der Beurteilung der vielen ‚Verspätungen’ des Landes zu veranschlagen.“432

Vielleicht musste sich Schweden durch das „Hinterherhinken“ erst recht bemühen, international mithalten zu können. Heute trifft die Rolle des „Nachzüglers“ keineswegs zu.

Es darf vermutet werden, dass Lage und geographische sowie topographische Bedingungen bedeutende Triebfedern für ein heute innovationsfreudiges und international ausgerichtetes Land mit ausgeprägtem technischem Fortschritt sind.

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Denn, „(...) die Benachteiligung durch Topographie, Geologie und Klima konnte erst mit der modernen Technik überwunden werden, durch verbesserte Anbaumethoden und -techniken in der Landwirtschaft, durch technische Neuerungen, durch Industrialisierung und nicht zuletzt durch die Einführung neuer Verkehrs- und Kommunikationsmittel seit der Mitte des 19. Jahrhunderts (Kanalbau, Eisenbahn, Telegraph, Telefon, Presse, usw.).“433

Tabelle 1: Fakten und Zahlen zu Schweden (entnommen aus Britton, Schweden, S.4)

2. Faktorausstattung

Porter sieht einen engen Zusammenhang zwischen der Faktorausstattung und der Wettbewerbssituation eines Landes (wie sich also ein Land im jeweiligen Wettbewerbsumfeld behaupten kann).434 Er unterscheidet dabei folgende Faktoren:435 „Humanvermögen“ (Menge, Qualifikation und Kosten von Arbeitskräften), „materielle Ressourcen“ (Boden, Wasser, Lage, klimatische Besonderheiten, Zeitzone), „Wissensressourcen“ (wissenschaftliches, technisches oder marktbedingtes Wissen; mitbestimmt durch Universitäten, Forschungsinstitute, Handelsverbände, etc.), „Kapitalressourcen“ und „Infrastruktur“ (Transportsysteme, Kommunikationssysteme, Gesundheitswesen, Kultureinrichtungen, etc.).

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Schweden besitzt einige interessante Ressourcen. Henningsen betont die Bedeutung dreier besonders wichtiger Rohstoffe bezüglich der Entwicklung Schwedens: „Im Zusammenhang natürlicher Rahmenbedingungen sind drei Ressourcen für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung Schwedens von Wichtigkeit gewesen: Energie, Holz und Erze.“436 Henningsen erachtet diese drei Rohstoffe als am wichtigsten, da sie nicht nur wichtige Grundlagen der Industrialisierung, sondern auch der Entwicklung der Wirtschaftsstruktur überhaupt ebenso wie die Ursache für den Reichtum und die Machtposition Schwedens darstellen.437 Noch heute sind diese Rohstoffe wichtige Ressourcen, welche mit der zusätzlichen Komponente „Wissen“ gezielt eingesetzt werden: „Traditionell bildeten Rohstoffe die Grundlage der schwedischen Industrie. Obwohl der Abbau der eigenen Rohstoffe nach wie vor ein wichtiges Element der schwedischen Industrie darstellt, bilden heute das Wissen und die flexible Nutzung der materiellen und immateriellen Ressourcen den Hauptwettbewerbsfaktor.“438

Es kann an dieser Stelle der naturdominierende Kulturansatz (Vgl. dazu Kap.II./1./c)/gg)) in Erinnerung gerufen werden, der davon ausgeht, dass der Mensch die Natur beherrscht und aus gegebenen Bedingungen heraus Kultur schafft. Dies liefert eine Begründung dafür, dass sich auch in Schweden durch die naturgegebenen Bedingungen bestimmte kulturelle Muster, Traditionen und Besonderheiten entwickelt haben.

Heute ist Schweden ein Land mit hohem High-Tech-Standard und einem effizienten Kommunikationssystem.439 Zwar zählen diese Komponenten nicht unmittelbar zur natürlich vorgegebenen Faktorausstattung des Landes, sie sind jedoch wohl auch zur Optimierung der Rohstoffnutzung entstanden und daher wenigstens mittelbar als Ausstattungsfaktoren zu betrachten.

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Aufgrund der Landesgröße und der dünnen Besiedlung waren die Komponenten Kommunikation und Verkehr für Schweden von lebenswichtiger Bedeutung. Daher zeichnet es sich heute durch eine sehr gut ausgebaute Infrastruktur sowie ein gut ausgebautes Telefonnetz aus. Etwa 7 Millionen Handys sind im Umlauf und nahezu jeder Haushalt hat Zugang zum Internet.440

3. Kommunikation

Die Sprache stellt einen der bedeutendsten Bestandteile von Kultur dar: „Language is a mirror of culture.“441 Sprache gilt dabei als eines der bedeutendsten kulturellen Medien, da diese – wie auch durch Saussure bekannt – nicht allein dazu dient, Gegenstände zu bezeichnen, sondern zugleich „Vorstellungen“ schafft:442 „Language is not a neutral vehicle. Our thinking is affected by the categories and words available in our language.“443 Sprache vermittelt immer auch kollektive Werthaltungen.444

Folglich spielt die Sprache nicht nur im Alltag, sondern auch in unternehmenskultureller Hinsicht eine bedeutende Rolle.

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Es bestehen nationale Unterschiede in gängigen „Sprechhandlungen“ (Äußerung von Feststellungen, Antworten, Fragen, Lob, Kritik, etc.), aber auch komplexeren „Sprechereignissen“, wie Meetings oder Verhandlungen.445 „Briten z.B. melden sich im Gegensatz zu den meisten Kontinentaleuropäern auch mit Redebeiträgen zu Wort, die zuvor nicht vorbereitet und gründlich fundiert wurden, sondern argumentieren spontan auf der Basis der Eingebungen ihres common sense.“446 Schweden leisten gerne und innerhalb eines festgefügten „comment“ gut vorbereitete Redebeiträge, neigen aber auch zu ausufernden Betrachtungen im Rahmen spontaner Meetings. Generell wird in Schweden Sprache eher zurückhaltend und fast nie aggressiv eingesetzt (Vgl. dazu unten Kap.V./4./a)/aa)).

Auch in der paraverbalen Kommunikation sind kulturelle oder nationale Unterschiede vorhanden. Es lassen sich Unterschiede hinsichtlich der Intonation, der Lautstärke oder des Sprecherwechsels feststellen.447 

Zwei Dinge heben die schwedische Sprache insoweit von anderen ab: Zum einen ist es die Möglichkeit, sich knapp (fast wortkarg) auszudrücken, zum anderen ist es eine verbindlich (und manchmal behäbig) wirkende Melodik, die wenig Spielraum für einen aggressiven Tonfall lässt.

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Doch nicht nur in der verbalen und in der paraverbalen Kommunikation gibt es nationale Unterschiede. Auch die non-verbale Kommunikation kann von Land zu Land sehr unterschiedlich sein. Diese wird kaum bewusst wahrgenommen.448 Eigentümlichkeiten in Mimik, Gestik oder der Form des Blickkontaktes können in der Kommunikation zum Ausdruck kommen. Ein schwedischer Politiker wird – im Gegensatz zu seinem italienischen Kollegen – eine Rede eher mit moderater Gestik unterstreichen.

Die mit sprachlichen Mitteln transportierten kollektiven Anschauungen einer Gruppe oder eines Landes verdichten sich im allgemeinen in Redewendungen oder „geflügelten“ Worten. Auch die schwedische Sprache verfügt über eine ganze Reihe schwedischer Sprichwörter und Redensarten.449 Der schwedische Autor Fredrik Ström hat die schwedische Sprache mit der schwedischen Mentalität in Zusammenhang gebracht450 und einige bemerkenswerte Eigenschaften herausgearbeitet. Verglichen mit anderen Nationen drückt gerade die schwedische Volksfantasie besondere Wertvorstellungen wie Anspruchslosigkeit und Demut aus.451 Der Wert der Anspruchslosigkeit wird besonders durch das häufige Danken, den Gebrauch des Wortes „tack“, zu deutsch „danke“, ausgedrückt. Man bedankt sich nicht nur für Kleinigkeiten, sondern es ist üblich, sich für eine Einladung, ein gemeinsames Treffen oder den gemeinsam verbrachten Tag zu bedanken. Selbst wenn man als Kunde den Laden verlässt, bedankt man sich. Dies ist in Schweden deutlich ausgeprägter als in anderen Ländern.452 Diese Anspruchslosigkeit verachtet Dreistigkeit und Aufgeblasenheit. Es gibt viele schwedische Sprichwörter, aus denen abzuleiten ist, dass Dreistigkeit, Frechheit, das Sich-Aufspielen und Sich-Lustigmachen auf Kosten anderer als sehr negativ bewertet wird.

Eine Studie, in der italienische und schwedische Studenten befragt wurden, belegt dies. Die Frage, ob man sich in den Ländern bzw. der Sprache der Befragten hin und wieder auf Kosten anderer lustig mache, bejahten 76% der Italiener, hingegen nur 35% der Schweden.453 Dies zeigt, dass Zurückhaltung und Respekt gegenüber Mitmenschen in Schweden als wichtige Werte erachtet werden.

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Ein weiterer Wert, den Ström bei der Untersuchung schwedischer Sprichwörter feststellt, ist das Verlangen nach Gerechtigkeit. Die Gleichbehandlung aller Menschen ist ein oft betonter Grundsatz. Wichtige Ideale sind die Wahrheit, die Freiheit und die Gerechtigkeit.454

Eine alltägliche Besonderheit der schwedischen Sprache ist die Anrede in der zweiten Person, das Duzen. In den 60er Jahren führte die sogenannte „du- Reform“ das „Du“ als übliche Anredeform ein. Ob das „Du“ in Schweden den gleichen Status wie das deutsche „Sie“ hat, kann bezweifelt werden, da das deutsche „Sie“ wesentlich mehr Distanz schafft als das schwedische „Du“.455

4. Ausdrucksformen schwedischer Wertvorstellungen

Wie bereits oben dargestellt, so beeinflussen die in einer Gesellschaft bestehenden Wertvorstellungen die Unternehmenskultur in erheblichem Maße:

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Es sind indessen nicht nur die Werte sondern ebenso die aus Werten abgebildeten Besonderheiten im Verhalten oder in der Anschauung der Menschen in einem Land, die bedeutend für unternehmenskulturelle Ausprägungen sind. Daun bezeichnet diese Besonderheiten als „mentalen Abdruck“: „Frågan gäller de mentala avtrycken av den svenska omgivningen, det svenska samhället, hur man blir genom att växa upp i denna del av norra Europa. Vilka är de typiska tänkesätten och beteendena, samvaroformerna och kommunikationsmönstren, de grundläggande värderingarna och perspektiven? Kan man för övrigt tala om en svensk mentalitet?“456

Die im folgenden angesprochenen Punkte erheben zwar keinen Anspruch auf Vollständigkeit, dürften aber doch die wesentlichen Grundsätze abbilden, wie sie auch in die Magisterarbeit der Verfasserin eingeflossen sind.457

a) Beziehung zu anderen

aa) Zurückhaltung

Schweden werden oft als schüchtern und zurückhaltend angesehen. Es gibt einige alltägliche Verhaltensweisen, die dies zu belegen scheinen. Schweden tendieren in vielen Dingen dazu, sich zurückzuhalten und fallen anderen ungern zur Last.458 Oft interpretieren andere dieses Verhalten als mangelndes Selbstvertrauen. Sich zurückzuhalten hat nach Auffassung der Schweden nichts mit Selbstvertrauen zu tun, es ist vielmehr eine andere Art des Auftretens, die zu Unrecht als Schüchternheit interpretiert wird. Hier verdient das sogenannte „Jante-Gesetz“ Erwähnung, das kein Gesetz im formellen Sinn sondern ein Verhaltenscodex ist: Es ist danach nicht üblich und wird auch nicht so gerne gesehen, sich in den Mittelpunkt zu stellen oder sich als besser hervorzuheben.459 Auch Rationalität und emotionale Kontrolle sind zwei Eigenschaften, die in Schweden besonders wichtig sind. Gefühlsausbrüche werden gemieden, auch hier gilt es, sich zurückzuhalten.460 Die Ethnologin Kati Laine-Sveiby macht die Zurückhaltung der Schweden unter anderem auch an sprachlichen Besonderheiten und an Ritualen fest. In Schweden werden bemerkenswert viele fertige Formulierungen und rituelle Formen eingesetzt, um nicht „aus dem Rahmen zu fallen“. Betrachtet man die Rituale eines schwedischen Abendessens, so fallen Etikette und Konventionen auf (Tischordnung, Trinkregeln, Reihenfolge und Zeitpunkt der Tischreden usw.).461 Vielleicht schafft das Vorhandensein von Konventionen und von sprachlichen Mustern eine Art Orientierungshilfe und unterstützt darin, sich nicht durch ein von solchen Verhaltensmustern abweichendes Benehmen in den Vordergrund zu spielen, sondern genauso zu handeln wie die anderen.462 Das ist auch eine Form der Zurückhaltung.

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Diese Zurückhaltung schlägt sich auch im Beruflichen nieder. Bei einer Untersuchung unterschiedlicher Verhandlungsstile zwischen Spaniern und Schweden zum Beispiel zeigte sich, dass die Spanier viel gesprächiger waren als die Schweden. Aus Sicht der Spanier traten die Schweden eher indirekt und durch ausweichendes Verhalten auf.463

bb) Anspruchslosigkeit

Zurückhaltung und Anspruchslosigkeit beruhen teilweise auf ähnlichen Ursachen. Wie bereits erläutert, ist es in Schweden nicht üblich, sich besser als andere darzustellen. „When conceit bursts there is a bad smell“464 lautet ein häufig verwendetes Sprichwort. Die Schweden neigen dazu, sich nicht aus der Masse hervorzuheben und so zu sein wie alle anderen auch.465 Nicht nur im persönlichen Umgang gilt es sich zurückzuhalten, sondern auch bei Einsatz und Verwendung von materiellen Gütern und Statussymbolen. Das Wort „lagom“, zu deutsch „gerade richtig/angemessen“, wird in diesem Zusammenhang oft gebraucht. Es geht auch in diesem Bereich darum, nicht übertrieben aufzutreten, sondern genau in der Mitte zu bleiben, in der Mitte zwischen dem Individuum und der Gesellschaft.466 

So ist es für einen Schweden auch nicht so wichtig, sich hervorzuheben, selbst wenn er beruflich in einer höheren Position sitzt. Statussymbole sind nicht wichtig. Dienstfahrzeuge der Luxusklasse, Flüge in der teuersten Klasse, teure Hotels oder der Gebrauch von Titeln gelten eher als unseriös. Schwedische Führungskräfte fahren selbst ihre Autos, führen ohne die Unterstützung von Sekretärinnen Telefonate und essen im gleichen Speisesaal wie Personal aus unteren Ebenen, ohne dabei an Prestige zu verlieren.467 Das führt jedoch auch zu Problemen. Es ist für Außenstehende, besonders für andere Nationalitäten, oft schwer zu erkennen, wer im Unternehmen in welcher Position sitzt. Eine Untersuchung ergab, dass Spanier den Eindruck hatten, dass Schweden Hierarchien lieber verbergen. In den Augen der Spanier erschienen die schwedischen Führungskräfte so bescheiden gekleidet, dass nicht erkannt werden konnte, wer der Vorgesetzte war.468 Für Außenstehende kann es folglich oft schwierig sein zu erkennen, wer welche Aufgaben erfüllt und wer wie viel Verantwortung trägt, da die genaue Abgrenzung der Positionen nicht deutlich sichtbar ist.469 Gleichwohl gibt es auch in Schweden Unterschiede, sie sind nur feiner, fast filigran, und werden nur von routinierten Beobachtern erkannt.

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cc) Konfliktscheu

Streitsucht ist eine Eigenschaft, die in Schweden negativ bewertet wird. Lautstärke und Aggressivität werden als Zeichen der Schwäche verstanden. Disharmonien werden nicht gerne gesehen. Am liebsten ist man sich mit allen einig. Die Problematik des Umganges mit Konflikten beruht dabei auf dem Grundwert des gegenseitigen Respekts. Eine wichtige Grundregel in Schweden besteht darin, niemanden in seinen Gefühlen zu verletzen.470 Ein Phänomen beim Aufkommen eines Konfliktes ist – zunächst – das Schweigen. Aus ihm heraus entwickelt sich das Streben nach Konsensus, an den man sich behutsam herantastet. Man strebt danach, dass alle mit einer gefundenen Lösung zufrieden sind. Schweden wollen (ähnlich wie die Japaner) harmonischen Umgang miteinander, sie versuchen, Konversationen auf gleichgerichteter Grundlage ablaufen zu

lassen und stets Übereinstimmung und Konformität anzustreben.471 

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Im Beruf werden Konflikte so gut wie gemieden. Man strebt danach, sich nur solche Ziele zu stecken, die gemeinsam akzeptiert werden. Sind Mitarbeiter mit zugewiesenen Aufgaben unzufrieden, wird versucht, durch Umschulungen oder Fortbildungsmaßnahmen neue Lösungen zu finden. Ein Nachteil dieser „Streitkultur“ ist es, dass notwendige oder überfällige Auseinandersetzungen oft aufgeschoben werden.472

dd) Teamorientierung

Wie im vorigen Punkt erläutert wurde, streben die Schweden in Entscheidungen meist danach, eine gemeinsame Lösung zu finden. Dies mag eine der Ursachen dafür sein, dass im Beruf Aufträge und Projekte fast immer im Team durchgeführt werden. Weitere Gründe für diesen signifikanten Teamgeist sind in den Rahmenbedingungen des schwedischen Gemeinschaftslebens zu sehen. Der Staat und die schwedische Gesellschaft, „samhället“, sind wichtige Orientierungshilfen für die Schweden. Ein „Wir-Gefühl“, also das Gefühl, sich in einer Gemeinschaft zu befinden und dazuzugehören, mag ein möglicher Grund für dieses Teamdenken sein.473

ee) Unabhängigkeit

Der schwedische Staat mag, wie erläutert, darauf ausgerichtet sein, dass alle Bewohner voll und ganz integriert werden. Doch das System ist ebenso darauf ausgerichtet, dass jedes Individuum möglichst viele Freiheiten genießt und als Individuum von anderen Individuen unabhängig ist. Dies entspricht auch der damaligen Idee des „folkhemmet“, „Volksheimes“: Die Unabhängigkeit ist ein wichtiges Gut.474 Auch die Idee der Gleichberechtigung zielt letztlich darauf ab, dass Individuen voneinander unabhängig sind. Frauen arbeiten ebenso viel wie Männer und genießen in diesem Zuge auch die gleichen Entwicklungsmöglichkeiten im Beruf. Dies ermöglicht auch eine finanzielle Unabhängigkeit der Frau.

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Das Streben nach Unabhängigkeit ist eine Folge der Erziehung. Selbständigkeit ist in Schweden ein wichtiges Ziel bei der Erziehung. Kindern wird schon früh eine soziale sowie psychologische Unabhängigkeit von der Mutter anerzogen.475

Im Beruf führt dieses Unabhängigkeitsdenken dazu, dass Mitarbeitern oftmals sehr früh viel Verantwortung und viel Flexibilität/Freiheit in der Erfüllung von Aufgaben zugesprochen wird.

ff) Individualismus

Nur scheinbar im Gegensatz zur Teamorientierung und zu einem Bemühen um Konsens steht das Streben der Schweden nach Individualität. Geert Hofstede hat in einer Studie

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(wie bereits zu Beginn der Arbeit erläutert wurde) das Ausmaß individualistischer Tendenzen in unterschiedlichen Kulturen gemessen. Bemerkenswert war, dass Schweden von 40 Ländern auf dem zehnten Platz lag.476 Folglich steht auch im Arbeitsleben das Individuum im Mittelpunkt. Elemente wie Integrität, Gleichbehandlung, Freiheit und Einzigartigkeit werden jedem Mitarbeiter zugeschrieben. Jeder Mitarbeiter eines Unternehmens soll spüren, dass die Arbeit für die anderen einen jeweils individuellen Nutzen schafft. Jedem Individuum werden dabei die jeweils passenden Aufgaben

zugeordnet.477 Auch die individuellen privaten Bedürfnisse werden von den meisten schwedischen Unternehmen gefördert. Es gibt viele allgemein akzeptierte Gründe für Fehltage: Mutterschaftsurlaub, Vaterschaftsurlaub, Militärdienst, Ausbildung, Hochzeit.478 Die Entwicklung des Individuums wird stets gefördert und trägt nur positiv zum Unternehmenserfolg bei.

Weiterhin ist bemerkenswert, dass Schweden zu den Ländern gehört, welches die höchste Beschäftigungsrate körperlich Behinderter hat und ebenso die meisten Institutionen geschaffen hat, die es Behinderten ermöglichen, Aufgaben durchzuführen.479

gg) Verzicht auf Formen

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Schweden scheint – im Vergleich zu anderen Kulturen – dazu zu neigen, das Formelle herunterzuspielen.480 Es ist schwierig, hinter einer sehr informellen Fassade das Formelle zu erkennen. Das wird im Arbeitsleben sehr deutlich sichtbar. In anderen Ländern, in denen es mehr Teilkulturen gibt, wird eher durch auffällige Mittel kommuniziert, wie beispielsweise Dienstfahrzeuge oder Titel. Symbole signalisieren dabei die jeweilige Position innerhalb einer Hierarchie.481 Es ist in Schweden auch durch den sehr lockeren und informellen Umgang, beispielsweise in einem Meeting, sehr schwer zu erkennen, wer der eigentliche Wortführer ist oder wer die höchste Position inne hat. Der informelle Umgang miteinander ist ein Muss. Es mag auch in Schweden Rangordnungen geben, aber es gilt stets, diese nicht zu zeigen.482 Telefonate im schwedischen Berufsalltag werden beispielsweise extrem formlos geführt. Der Chef ruft denjenigen, den er sprechen möchte, persönlich an, nicht etwa durch die Unterstützung einer Sekretärin. Dabei würde ein Direktor sich niemals mit seinem Titel vorstellen, sondern lediglich mit seinem Vornamen und Nachnamen. Geschäftliche Telefongespräche mit einem kurzen Anliegen werden oft länger, da man sich nicht nur über das Geschäftliche, sondern auch über das Wetter oder das Wohlbefinden unterhält.483 

Auch für Führungskräfte ist es ganz selbstverständlich, auch Aufgaben außerhalb des eigentlichen Bereichs zu erfüllen. Diese kochen selbst ihren Kaffee und lassen dies nicht von Sekretärinnen oder Praktikanten erledigen. Die sogenannte „kaffeekokningsdebatten“, „Kaffeekochdebatte“, untersuchte diese Thematik. Führungskräfte unterschiedlicher Nationen wurden danach gefragt, ob sie ihren Kaffee selbst kochen. Die Schweden waren die einzigen, die dies bejahten. Nach Ansicht der Schweden sei das Kaffeekochen ein persönlicher Dienst, den man niemand anderem abverlangen könne.484 Viele schwedische Unternehmen werden mit möglichst wenigen Stufen strukturiert, um flache Hierarchien zu haben. Eine Aussage eines Schweden bei einer Unterhaltung mit einer Engländerin lautet: ‚We have seven times as few people in our country and therefore we have to be seven times more effective.’485

b) Gefühlsbezogene Verhaltensweisen

aa) Demut

Respekt und Demut sind in Schweden sehr wichtige Werte. Wenn man jemanden kritisieren möchte, so gilt es dabei, den anderen sehr sanft zu behandeln und dabei nicht etwa die Ehre oder die Gefühle des anderen zu verletzen. Man „fasst einander gerne mit Samthandschuhen an.“

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So ist das auch im Arbeitsleben. Verglichen mit Führungskräften anderer Nationen geht eine schwedische Führungskraft sehr sanft mit untergeordneten Mitarbeitern um. Man spricht auf internationaler Ebene gerne von einem sehr sanften Management-Stil.486

Bittet ein Chef beispielsweise seine Sekretärin darum, eine Aufgabe zu erledigen, so ist die Art der Aufforderung schon durch die Formulierung eine sehr sanfte: „Har du lust att kopiera detta?“487 Schon diese Art der Formulierung drückt die Demut aus.

bb) Modernität

Schweden sieht sich selbst als eine sehr moderne Gesellschaft an, sowohl in Bezug auf Institutionen wie auch auf Einstellungen: „Swedes think that they are members of a modern society: highly developed, highly industrialized, well organized, humane, just and democratic, a country where political decisions are based on rational thinking, facts and scientific research.”488 Mehrere Umfragen in Schweden bestätigten diese Eigenschaft. Schüler gaben zu 57% die Eigenschaft der Modernität an. Auch die Befragung von Geschäftsleuten ergab dies.489 

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c) Vernunftbezogene Verhaltensweisen

Zuverlässigkeit und Sicherheit sind zwei weitere Werte, welche die Schweden hoch einschätzen. Ein möglicher Grund dafür ist sicherlich auch der schwedische Sozialstaat. Als Schwede genießt man im dortigen Zusammenleben Sicherheit, basierend auf der Einhaltung von Recht und Pflicht. Es gilt als vernünftig, sich so zu verhalten, dass Pflichten erfüllt und Rechte gewahrt werden. In diesem Zusammenhang gewinnen auch das Vertrauen in andere und die Übernahme von Verantwortung eine große Rolle. Es mag für einen Schweden eher als für andere selbstverständlich sein, viel Verantwortung zu übernehmen und wiederum Aufgaben weiterzugeben. Auch im Beruf werden diese Werte eingehalten. Schweden gehört zu den Ländern, die bekannt sind für Delegation. Eine für Schweden spezifische Führungsmethode ist es, viel Verantwortung weiterzugeben, da man untergeordneten Mitarbeitern sehr stark vertraut.490

5. Traditionen und Bräuche

Volkstümliche Bräuche, Traditionen und Riten hat jedes Land. Manche Länder sind traditionsreich, andere hingegen völlig traditionsarm.

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Auch in unternehmenskultureller Hinsicht spielt der Bestand an nationalen Traditionen eine wichtige Rolle. Sind bestimmte Riten oder Bräuche eines Landes stark verankert und für die Menschen eines Landes sehr wichtig, können sie nicht nur außerhalb des Unternehmens gelebt und umgesetzt werden. Es wird vielmehr der ein oder andere Brauch sich auch im Unternehmen finden lassen und Teil der Unternehmenskultur werden.

Schweden ist ein sehr traditionsreiches Land. Regionale Unterschiede sind sehr gering werden daher bei der folgenden Betrachtung nicht berücksichtigt. Es wird von starker Homogenität ausgegangen.491 Wiederum prägen auch Natur und geographische Lage das Brauchtum. Das kommt in einer Reihe schwedischer Traditionen zum Tragen: „Unsere nationalen Feiertage und Festbräuche tragen alle starke Züge der Verehrung und Beschwörung dieser Natur und des Wechsels der Jahreszeiten.“492 Beim Luciafest kurz vor Weihnachten zieht die Lichterkönigin mit Kerzen durch die Dunkelheit; Feuer wird in der Walpurgisnacht (Nacht zum 1. Mai) symbolhaft eingesetzt, um den Winter auszutreiben und den Frühling zu begrüßen; das Mittsommerfest feiert den hellsten Tag des Jahres; im August werden Krebsfeste zelebriert, um den kommenden Winter mit Licht und Gesang zu beschwören.493 

In ganz Schweden werden diese Feste heute immer noch ausgiebig gefeiert.

6. Erziehung und Ausbildungsstruktur

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Kulturelle Werte und Normen, genauso wie Umgangsformen oder Verhaltensweisen, werden besonders durch die Erziehung vermittelt: „Culture is transmitted through the process of learning and interacting with one’s environment rather than through the genetic process.“494 Wie schon in anderem Zusammenhang angedeutet, sind die nationalen Erziehungssysteme von Bedeutung: „(…) children were born into an already existing culture. Each child has only to learn the various solutions to these basic human problems that his culture has set down for him. Once these solutions are learned, behavior becomes almost automatic. In other words, culture is passed on from one generation to another within a society; it is not inborn or instinctive.“495

In Schweden sind nicht nur die Eltern an der Kinderziehung beteiligt. Staatliche Institutionen, wie etwa Vorschule oder Kindertagesstätten mit Ganztagsbetreuung, spielen in erzieherischer Hinsicht eine genauso wichtige Rolle. Schon seit langer Zeit bestehen solche Einrichtungen, verstärkt jedoch seit Mitte der 70er Jahre. Seitdem wurde der Schaffung einheitlicher Tagesstätten verstärkt nachgegangen.496 

Jeder hat Anspruch auf ganztägige Betreuung. Bezüglich der Gebühren für die Betreuung gibt es strikte Regelungen. Diese dürfen nicht mehr als zwei Prozent des Bruttoeinkommens der Erziehungsberechtigten betragen.497

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Hier werden sicherlich durch die Ausrichtung der Politik gewachsene Werte und Normen vermittelt, die in der schwedischen Gesellschaft verankert sind: „Daghemmet representerade många av de egenskaper som anses vara typiskt svenska: kompromisstänkandet, strävan att finna rationella lösningar, lagom-är-bäst-andan, ordningssinnet, den sociala försiktigheten, naturdyrkan och även antimysticismen.“498

Neben diesen Werten wird das Prinzip der Gleichstellung von Mann und Frau bereits im Kindergarten oder in der Schule großgeschrieben. Jungen müssen ebenso wie Mädchen Pflichtfächer wie Kinderpflege, Hauswirtschaftskunde und Technik besuchen.499

Gegenseitiger Respekt und Achtung vor dem anderen werden durch viele Erziehungsmaßnahmen vermittelt: Kinder lernen schon früh, niemanden zu unterbrechen, sondern zu warten, bis jemand zu Ende gesprochen hat.500

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Eine weitere auffällige Eigenheit liegt darin, dass sich Kinder nicht nur von klein auf einbringen und ihre Meinung äußern dürfen, sondern dass sie damit auch ernst genommen werden. Es ist beispielsweise üblich, dass Kinder ihre Eltern zur Sprechstunde mit den Lehrern begleiten.501 

Schweden hat einen hohen Bevölkerungsanteil von Abiturienten und Akademikern. Das Studium wird jedem ermöglicht ohne Rücksicht auf die Herkunft oder die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern. Jeder volljährige Schwede hat Anspruch auf ein Studiendarlehen, das erst zurückbezahlt werden muss, wenn seine berufliche Existenz gesichert ist. Die Fortbildung und Weiterbildung in jedwedem Stadium, insbesondere die Erwachsenenbildung, sind fest verankert. Es wird in weit größerem Umfange davon Gebrauch gemacht als in anderen Ländern.

Es ist nicht unwesentlich für die Unternehmenskultur, welche Ausbildungen die Mitarbeiter und Führungskräfte durchlaufen haben oder durchlaufen können, welche Schwerpunkte und Verhaltensweisen dabei erlernt wurden und welche wiederum im Beruf umgesetzt werden.

7. Politische Aspekte

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Die Vielzahl komplexer und wiederum wechselbezüglicher Prägungen erfährt insbesondere durch die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen eines Landes einen maßgeblichen „Überbau“, der die Unternehmen unmittelbar oder mittelbar über die in Unternehmen tätigen Menschen steuern und beeinflussen will.

Nach Porter kann der Staat „auf allen Ebenen den nationalen Vorteil steigern oder schmälern.“502 Der Staat prägt zunächst einige nationale Bestimmungsfaktoren: „Die Kartellpolitik wirkt sich auf den Inlandswettbewerb aus. Verordnungen können die Bedingungen der Inlandsnachfrage ändern. Investitionen in die Ausbildung können die Faktorbedingungen ändern. Staatliche Käufe können verwandte und unterstützende Branchen anregen. Eine Politik, die nicht bedenkt, wie sie sich auf das gesamte System der Bestimmungsfaktoren auswirkt, kann einen nationalen Vorteil untergraben, ihn aber ebensogut verstärken.“503

Die staatlichen Bestimmungsfaktoren umgeben das Unternehmen und lassen Prinzipien und Werte einfließen.504

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Per Albin Hansson, früherer schwedischer Ministerpräsident, formulierte die Grundprinzipien einer Wohlfahrtsgesellschaft bereits im Jahre 1928:505 Wie ein „gutes Heim“ müsse eine intakte Gesellschaft funktionieren. Im Schwedischen ist die Rede von „samhälle“, wenn eine gut funktionierende Gesellschaft beschrieben werden soll.506 Hansson formulierte die folgenden Grundsätze, welche Austrup zitiert: ‚In dem intakten Heim herrscht Gleichberechtigung, Zusammenarbeit, Hilfsbereitschaft. Auf unsere ganze Gesellschaft übertragen würde dies bedeuten, daß alle sozialen und wirtschaftlichen Schranken niedergerissen werden sollten, die zu einer Aufteilung unseres Volkes führen in Privilegierte und Zurückgesetzte, in Herrschende und Abhängige, in Reiche und Arme, in Plünderer und Ausgeplünderte.’507 Er sprach als Repräsentant der schwedischen Arbeiterbewegung von „folkhem“, einem „Volksheim“, und forderte in diesem Zusammenhang die Verwirklichung der Wohlfahrtsgesellschaft. Gemeinsamkeit, die Gemeinschaftlichkeit, die Gleichstellung, die Hilfsbereitschaft, Rücksicht und Umsicht stellen wichtige Kernelemente dieses „folkhem“ dar. Es soll dabei eine soziale, politische und wirtschaftliche „likhet“, „Gleichberechtigung“, gelten.

Weltweit war auch von „Sweden- The Middle Way“, vom „Schwedischen Modell“ die Rede: Die USA ebenso wie Deutschland übernahmen einige jener Grundsätze.508

Der schwedische Sozialstaat hatte Einfluss auf die Menschen und die nationale Identität.509

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Im Vergleich zu anderen Ländern ist das heutige schwedische System sehr eigenständig. Zunächst hat Schweden als Zentralstaat landesweit ein sehr einheitliches System. Ganz anders als beispielsweise in Deutschland sind die Verwaltungsstrukturen aufgebaut. Ihren Ursprung findet die kommunale Selbstverwaltung bereits im Mittelalter. Basierend auf dem Prinzip der Selbstverwaltung, haben schwedische Gemeinden und Kommunen sehr viel Eigenverantwortung und Entscheidungsbefugnis.510 

Trotz der zentralstaatlichen Grundstruktur ist das schwedische System insgesamt viel weniger hierarchisch als etwa das deutsche. Wichtig ist hierbei die positive Einstellung zum Delegationsprinzip. „The world competitiveness report“ aus dem Jahre 1993 ist ein Beleg dafür511, dass Schweden eine extreme Fähigkeit darin aufweist, Aufgaben zu delegieren und diesbezüglich einen der ersten Plätze der Welt einnimmt. Auch die Bedeutung und Position politischer Beamter ist in Schweden sehr eigen.

Es gibt weder politische Beamte ähnlich wie in Deutschland noch Bürgermeister in vergleichbarer Stellung wie in anderen Ländern.512

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Weiterhin bestehen in Schweden einige Prinzipien, die eine enorme Gewichtung haben: „Jämställdhet“, auf deutsch „Gleichberechtigung“/ „Gleichstellung“, spielt in der schwedischen Gesellschaft eine bedeutende Rolle.513 Es gilt dabei, einander mit Respekt zu behandeln, unabhängig von Geschlecht, Alter oder Beruf: „In Schweden besteht ein allgemeiner politischer Konsens über die Grundsätze der Gleichstellung der Geschlechter. Kernstück der schwedischen Gleichstellungspolitik ist die Fähigkeit jedes Einzelnen, durch Erwerbstätigkeit finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen. Ebenso wichtig sind Maßnahmen, die es Frauen und Männern ermöglichen, Familie und Beruf zu vereinbaren. Jeder, gleich welchen Geschlechts, soll sich im Rahmen seiner Fähigkeiten entwickeln und an allen Bereichen des öffentlichen Lebens teilnehmen können.“514 Es wird konsequenterweise in ausgeprägtem Maße Gleichstellungspolitik betrieben. Um in möglichst vielen verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Bereichen Gleichstellungspolitik zu betreiben, werden die Minister in ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen dazu aufgerufen, die Gleichstellung der Geschlechter aktiv zu unterstützen.515 Es wurde sogar zu Beginn der 80er Jahre auf Regierungsebene eine sogenannte „Jämställdhetsenhet“ (Referat für Gleichstellungsfragen) ins Leben gerufen, von der aus viele Aspekte der Gleichstellung gefördert werden, um eine ausgewogene Repräsentation von Männern und Frauen im öffentlichen Sektor sicherzustellen.516 Weiterhin gibt es als unabhängige Regierungsbehörde die Kanzlei des Ombudsmannes für Gleichstellung („Jämställdhetsombudsmannen, JämO“), welche mit gleichzeitigem Inkrafttreten des ersten Gleichstellungsgesetzes 1980 ins Leben gerufen wurde: Die Hauptaufgabe dieser Institution besteht darin, durch Zusammenarbeit mit Arbeitgebern und öffentlichen Institutionen (Universitäten/Schulen) die Gleichstellung der Geschlechter sicherzustellen. Der „Ombudsmann“ kann Studierende und Arbeitnehmer vertreten und damit in Gleichstellungsfragen unterstützen.517

Zusätzlich zur genannten Institution gibt es als zwei weitere Regierungsbehörden den sogenannten Gleichstellungsausschuss („Jämställdhetsnämnden“) sowie den Rat für Gleichstellungsfragen („Jämställdhetsrådet“): Jener soll die Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz fördern; dieser ist ein Beratungsgremium des stellvertretenden Ministerpräsidenten, dem Vertreter verschiedener privater und politischer Interessen angehören (darunter Frauenorganisationen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, politische Parteien).518 Die schwedische Gleichstellungspolitik strebt danach, insgesamt eine ausgewogene Machtverteilung zwischen Männern und Frauen zu erzielen.519

Frauen haben dementsprechend heute in Schweden die gleichen Ausbildungsmöglichkeiten wie Männer. In Schweden sitzen folglich sehr viele Frauen in Führungspositionen. Aus finanziellen Gründen üben in Schweden meist beide Partner einen Beruf aus. Ansonsten würden die meisten Familien nicht über die Runden kommen. Den „Hausfrauenstatus“ gibt es in Schweden so gut wie nicht. Auch in besser verdienenden Kreisen ist es normal, dass Frauen einen Beruf ausüben. Das Bedürfnis nach eigener wirtschaftlicher Unabhängigkeit ist enorm groß.520 

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Der Staat vertritt die Ansicht, dass sich Frauen und Männer die Hausarbeit und die Kinderbetreuung teilen. Beide Partner haben das Recht auf bezahlten Elternurlaub.521

Ein weiteres wichtiges in Schweden politisch verankertes Prinzip ist das sogenannte „Öffentlichkeitsprinzip“. Demnach haben alle schwedischen Bürgerinnen und Bürger das Recht, sämtliche Informationen öffentlicher Vorgänge auf allen öffentlichen Ebenen zu erhalten. Dieses Prinzip ist gesetzlich niedergelegt. Folglich hat die Gesamtbevölkerung das Recht auf einen ständigen Einblick in das öffentliche Geschehen.522 Durch den sogenannten „taxeringskalender“ – ein jährlich erscheinendes Werk, in welchem die Einkommen und die danach veranlagten Steuern der schwedischen Bürger veröffentlicht werden – hat dieses Prinzip eine besondere Ausgestaltung erfahren.

Auch das sogenannte „Jantelag“, „Jante“-Gesetz, wurde oben schon angesprochen. Es ist kein Gesetz im formellen Sinne, sondern ein gesellschaftspolitisches Prinzip, das allen Schweden bekannt ist: Demnach soll man nicht von sich selbst glauben, man sei besser als andere. Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit sind die Grundlagen dieses Prinzips, welches auch in gewissem Umfang in die konkrete Gesetzgebung einfließt. Wer eine bessere Leistung erbringt, mag dazu neigen, sich dafür zu rechtfertigen oder zu entschuldigen und als Grund für eine bessere Leistung das Glück anzuführen. Unüblich (und auch nicht politisch korrekt) ist es folglich, sich selbst als besonders gut oder tüchtig darzustellen.523 

8. Rechtliche und arbeitsrechtliche Aspekte

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Die oben genannte Gleichstellungspolitik in Schweden drückt sich in zahlreichen Gesetzen aus. Zu nennen ist beispielhaft das Gesetz über Chancengleichheit: „Das wichtigste Gesetz, das den Grundsatz der Gleichstellung von Frauen und Männern in Schweden in die Praxis umsetzt, behandelt die Gleichstellung im Erwerbsleben (Gesetz über die Chancengleichheit) und trat 1980 in Kraft.“524 Arbeitgeber werden nach diesem Gesetz dazu aufgefordert, die Gleichstellung zwischen Mann und Frau sicherzustellen.525

Weiter ist das Gesetz über die Gleichbehandlung von Studierenden an höheren Bildungseinrichtungen: Demnach sind Hochschulen dazu aufgefordert, die Gleichstellung der Geschlechter aktiv zu fördern.526

Doch auch die Gleichstellung im Bildungswesen allgemein (Schule) wird durch verschiedene Gesetze unterstützt. Lehrer werden bereits in ihrer Grundausbildung darin geschult, eine Gleichstellung der Geschlechter zu fördern. Weiter, wie bereits oben genannt, wurden traditionelle Fächer für Mädchen (Hauswirtschaft, etc.) ebenso wie für Jungen (Technik, etc.) in allgemeine Pflichtfächer umgewandelt. Diese Bedingungen fördern die Gleichstellung ganz entscheidend.527

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Die Gleichstellung am Arbeitsplatz soll weiterhin durch Gesetze gewährleistet werden. Etwa der Grundsatz gleicher Bezahlung wird seit längerer Zeit in Schweden angewandt und ist in diversen Tarifverträgen über Gleichstellung der Geschlechter geregelt.528

Weiterhin sind gesetzliche Bestimmungen zu nennen, welche die Arbeitszeiten regeln, sowie die Elternzeit bestimmen.

Ein bestimmter Anteil des zur Verfügung stehenden bezahlten Elternurlaubs ist nicht übertragbar, muss folglich vom Vater genommen werden, ansonsten verfällt dieser.529 Insgesamt beläuft sich die Gesamtsumme bezahlten Elternurlaubs auf 480 Tage, wovon 390 Tage frei aufgeteilt werden können. 60 Tage müssen von diesen 390 Tagen jedoch jeweils vom Vater und jeweils von der Mutter in Anspruch genommen werden.530

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Weiterhin fördern die in Schweden sehr gut ausgebauten Betreuungsmöglichkeiten für Kinder die Berufstätigkeit beider Elternteile: Seit den 70er Jahren ist das Betreuungsnetzwerk – jeweils gesteuert durch die einzelnen Gemeinden – sehr gut ausgebaut. Es ist gesetzlich geregelt, dass alle erwerbstätigen Eltern automatisch Anspruch auf Betreuung für Kinder ab dem ersten Lebensjahr haben.531

Der Aspekt „Arbeitszeitenregelung“ ist ein weiteres Thema, welches bei der Betrachtung arbeitsrechtlicher Bedingungen nicht zu vernachlässigen ist. Zwar nicht gesetzlich verankert, jedoch überall akzeptiert, ist die bemerkenswerte Flexibilität der Arbeitszeitgestaltung in Schweden: So zählt Schweden zu jenen europäischen Ländern mit flexibelsten Arbeitszeitregelungen.532 

Mehr als die Hälfte der Arbeitgeber lässt die Arbeitnehmer die Einteilung der Arbeitszeiten frei gestalten: Arbeitsbeginn und Arbeitsende können flexibel eingeteilt werden, wodurch Arbeitnehmer sowohl ihre Arbeit als auch ihr Privatleben wiederum optimal kombinieren können.533

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Die flexible Arbeitszeitenregelung in Schweden wurde in den 60er Jahren durch Gewerkschaften erstmals forciert.534

Man war sich beiderseits (von Arbeitgeber- als auch von Arbeitnehmerseite her) durchaus der Vorteile der freien Einteilung bewusst (Zufriedenheit der Mitarbeiter, gesteigerte Produktivität).535

9. Geschichte und Religion

Auch historische und religiöse Aspekte sollen im folgenden Abschnitt kurz betrachtet werden. Verschiedene Studien führen Ausprägungen unternehmenskultureller Komponenten wie „Organisationsstruktur“ und „Machtverhältnisse“ auf geschichtliche und religiöse Hintergründe zurück.536 

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Die Geschichte Schwedens hat dazu geführt, dass bestimmte Rahmenbedingungen (sowohl die Lebensbedingungen als auch bestimmte Einstellungen betreffend) heute in Schweden prägnant sind und diese damit auch die Mentalität beeinflusst haben.537 

Seit mehreren Generationen verfolgt Schweden eine pragmatische Neutralitätspolitik ohne jegliche Verwicklung in kriegerische Auseinandersetzungen europäischer Länder, ebenso ohne Verwicklung in beide Weltkriege: Dieser für andere Länder kaum denkbare lang anhaltende Frieden ebenso wie jene Neutralität sind im Bewusstsein der schwedischen Bürger tief verwurzelt:538 „Bis heute ist Schweden nicht Mitglied der NATO, man beschränkt sich dort auf den Beobachterstatus. Stark engagiert ist Schweden jedoch bei der UNO, auch mit Kontingenten von Friedenstruppen. Trotz eines nationalen Selbstbewusstseins und strikt verfolgter Neutralität hat sich Schweden schon sehr früh um internationale Zusammenarbeit bemüht, auf Friedenskonferenzen, als aktives Mitglied des Nordischen Rates (seit 1953)539 und seit 1995 als Mitglied der Europäischen Union.“540

Ebenso scheint bemerkenswert, dass die Gesellschaftsentwicklung Schwedens (ebenso wie der anderen skandinavischen Länder) ohne irgendwelche Brüche verlaufen ist: „Die nordischen Länder sind die einzigen in Europa, in denen die Gesellschaftsentwicklung ohne eigentlichen realen revolutionären Bruch verlaufen ist. (...) Norwegen und Schweden sind Extremfälle. Hier hat es zwar Staatsstreiche gegeben, aber keine Revolutionen, die wirklich mit einem Schlag die Gesellschaftsordnung verändert hätten.“541

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Schweden ist formell eine Monarchie. Das mag politisch ohne konkreten Einfluss sein. Gleichwohl ist das schwedische Königshaus mit seiner ausgewogenen Balance zwischen Glanz und Bescheidenheit ein prägnanter Ausdruck schwedischer Grundhaltungen, zu denen auch ein gesundes Selbstbewusstsein gehört.

Die wirtschaftliche Entwicklung des Landes weist ebenso einige markante Aspekte auf: Zunächst, Mitte des 19. Jahrhunderts galt Schweden am Rande Europas als armes Agrarland, welches zwischen 1850-1970 ein rasantes weltweites Wachstum erfuhr.542 1970 wurde das Land auf Grundlage des Bruttoinlandsproduktes pro Kopf als weltweit drittreichstes Land eingestuft.543 Diese Entwicklung wird auf einige ausschlaggebende Faktoren zurückgeführt:

Export wichtiger Rohstoffe (Erz und Holz), Ausbildungsmaßnahmen (Einführung Volksschule, 1842), Unternehmertum (viele Unternehmer, die Mut zu Risiko zeigten, Einführung der Aktiengesellschaft um 1900), Erweiterung der Infrastruktur (Eisenbahnnetz), Liberalisierung, moderne Demokratie, sowie eine effektive und unkorrupte Bürokratie.544

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Durch den Export der eigenen Rohstoffe ebenso wie durch die gezielte Etablierung im Ausland erfuhr Schweden früh eine starke Internationalisierung.545

Die schnelle Industrialisierung Schwedens hat dazu beigetragen, dass sich sehr schnell bedeutende Unternehmen mit internationaler Ausrichtung entwickelt haben: „The distinguishing mark of Swedish industry is its quick internationalization. A few years after incorporating in Sweden, most of the firms mentioned above had significant positions on foreign markets.“546

Diese Entwicklung, gerade das schnelle Voranschreiten, hat wiederum bewirkt, dass sich bestimmte wirtschaftliche Modelle bewährt haben und vielleicht bis heute noch von Bedeutung sind: „The transformation of Sweden and its industry cannot be understood without reference to her history in international business. The success as well as the problems – (…) – are anchored in some fundamental characteristics of the country’s industrial history, and the heritage of managerial practices and attitudes which are a part of that history.”547

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Dass auch die Religion Bedeutung für kulturelle und unternehmenskulturelle Komponenten hat, folgt daraus, dass sie Werte und Normen in einer Gesellschaft proportional und in dem Maße institutionalisiert, in welchem sie von Bedeutung für das Land ist. Schweden bekennt sich zwar zur Religionsfreiheit, statistisch beherrschend ist jedoch die protestantische Kirche. Hampden-Turner und Trompenaars finden dazu folgende Formulierung: „Like the United States, Sweden is a largely Protestant-influenced country, high in universalism, analysis, and indivdualism, with codified and contractual approaches to morality as voluntary agreements. Swedes are mostly Lutheran in origin, although the culture is highly secularized today, with two-thirds of its citizens ,never’ going to church and another 29 percent only ,occasionally’.”548

10. Schweden und die Globalisierung

Schweden ist schon seit langem extrem international ausgerichtet.549 Wie bereits oben dargestellt, war sicherlich die geographische „Abschottung“ ein Grund für die Offenheit und internationale Entwicklung des Landes. Der eigene Markt war zu klein, die Abhängigkeit von anderen Ländern ausgeprägt, beides führte folglich zu einer bewussten internationalen Ausrichtung.550

Die zuvor genannten Ereignisse und Faktoren, wie der Export von Rohstoffen, die Fokussierung auf Bildung, der Unternehmergeist der Menschen, der Ausbau der Infrastruktur, die vielfachen Liberalisierungen, die geringe Bürokratie, sowie eine moderne Demokratie551 sind Merkmale, die Schweden auszeichnen. Auch die Innovationsfreude (hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung) und ein hoher technischer Standard in allen Bereichen des Landes (Kommunikation, High-Tech) sind bemerkenswert. Ein wichtiger Beleg dafür ist die enorme Investition des Landes in Forschung und Entwicklung. Im Jahr 2003 wurden 97 Milliarden SEK bzw. 4% des BIP in Forschung und Entwicklung investiert: Schweden zählt zusammen mit Finnland (3,5% des BIP) und Israel (4,9%) zu jenen drei Ländern, welche den höchsten Anteil an Aufwendungen für Forschung und Entwicklung zu verzeichnen haben.552

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Weiterhin ist die Abhängigkeit von Exporten zu betonen: Mehr als die Hälfte der im Land erzeugten Produkte werden exportiert.553

Derzeit ist Schweden bezüglich Produktion und Auslandstätigkeiten sehr erfolgreich. In nahezu allen Industriezweigen sind inzwischen international agierende Unternehmen anzutreffen, unter anderem in der Bergbaubranche, in der Informationstechnologie und weiteren High-Tech-Sektoren.554 

Schweden und schwedische Unternehmen haben sich in hohem Maße den Globalisierungstendenzen gestellt und nehmen intensiven Anteil am internationalen Wirtschaftsleben.


Fußnoten und Endnoten

418  Vgl. Henningsen, Wohlfahrtsstaat, S.62.

419  Ebd.

420  Vgl. Schwedisches Institut, Wirtschaft, S.3.

421  Vgl. Daun, mentalitet, S.118.

422  Hampden-Turner/Trompenaars, Seven Cultures, S.234.

423  Ebd.

424  Musial, Roots, S.81.

425  Hedlund, Swedish Model, S.204.

426  Hampden-Turner/Trompenaars, Seven Cultures, S.236.

427  Maccoby, Lessons, S.301.

428  Hampden-Turner/Trompenaars, Seven Cultures, S.234.

429  Henningsen, Wohlfahrtsstaat, S.63.

430  Vgl. Daun, mentalitet, S.205 f.

431  Britton, Schweden, S.2.

432  Henningsen, Wohlfahrtsstaat, S.63.

433  Henningsen, Schweden, S.100.

434  Vgl. Porter, Wettbewerbsvorteile, S.98 ff.

435  Vgl. ebd.

436  Henningsen, Wohlfahrtsstaat, S.80.

437  Vgl. ebd.

438  Schwedisches Institut, Industrie, S.1.

439  Vgl. Schwedisches Institut, Geographie, S.1.

440  Vgl. ebd.

441  Bjerke/Hultman: Growth, S.110.

442  Vgl. Hansen, Einleitung, S.13.

443  Hofstede, Culture´s consequences, S.34.

444  Vgl. Hochreutener, zielorientiertes Management, S.46.

445  Vgl. Knapp, Qualifikationsmerkmal, S.13 f.

446  Ebd., S.14.

447  Vgl. Knapp, Qualifikationsmerkmal, S.15.

448  Vgl. ebd.

449  Vgl. Ström, ordstäv, S.7.

450  Vgl. Daun, mentalitet, S.194.

451  Vgl. ebd., S.197.

452  Vgl. Daun, mentalitet, S.198; vgl. Austin, being Swedish, S.30.

453  Vgl. Daun, mentalitet, S.198.

454  Vgl. ebd., S.200.

455  Vgl. Koch/Rossenbeck, Probleme, S.66 ff.

456  Daun, mentalitet, S.13; Übersetzung d. Verf.: „Die Frage betrifft die mentalen Abdrücke der schwedischen Umgebung, der schwedischen Gesellschaft, wie man wird, wenn man in diesem nördlichen Teil Europas aufwächst. Welches sind die typischen Denkweisen und Verhaltensweisen, gesellschaftlichen Strukturen und Kommunikationsmuster, die grundlegenden Werte und Perspektiven? Kann man überhaupt von einer schwedischen Mentalität sprechen?“

457  Magisterarbeit der Verfasserin, S.33-41.

458  Vgl. Frykman, Nationella ord, S.124.

459  Vgl. Bengts/Bruno/Nilson-Puccio, svenska koden, S.16 f.

460  Vgl. Daun, Modern, S.105.

461  Vgl. Laine-Sveiby, Svenskhet, S.90 f.

462  Vgl. ebd.

463  Vgl. Fant, Scandinavians, S.129.

464  Daun, Modern, S. 106.

465  Vgl. Fuchs, vara svensk, S.58 ff.

466  Vgl. Hampden-Turner/Trompenaars, Seven Cultures, S.253.

467  Vgl. Laine-Sveiby, Svenskhet, S.26 f.

468  Vgl. Fant, Scandinavians, S.127 f.

469  Vgl. Laine-Sveiby, Svenskhet, S.23 f.

470  Vgl. Arnstberg, kulturförnekande kulturen, S.72 ff.; vgl. Austin, being Swedish, S.32 f.

471  Vgl. Arnstberg, kulturförnekande kulturen, S.72 ff.; vgl. Daun, Modern, S.106.

472  Vgl. Laine-Sveiby, Svenskhet, S.51 f.

473  Vgl. Frykman, Nationella ord, S.125 f.

474  Vgl. Zetterberg/Ljungberg, Vårt land, S.25.

475  Vgl. Daun, mentalitet, S.81.

476  Vgl. ebd., S.121.

477  Vgl. Hampden-Turner/Trompenaars, Seven Cultures, S.239 und S.242.

478  Vgl. Hampden-Turner/Trompenaars, Seven Cultures, S.244 f.

479  Vgl. ebd., S.243.

480  Vgl. Laine-Sveiby, Svenskhet, S.25.

481  Vgl. ebd.

482  Vgl. ebd., S.22 f.

483  Vgl. ebd., S.25 f.

484  Vgl. Laine-Sveiby, Svenskhet, S.62.

485  Phillips-Martinsson, Swedes, S.19.

486  Vgl. Laine-Sveiby, Svenskhet, S.98 f.

487  Bengts/Bruno/Nilson-Puccio, svenska koden, S.47; Übersetzung d. Verf.: „Hast du Lust, das zu kopieren?“

488  Daun, Modern, S.102.

489  Vgl. ebd., S.102 f.

490  Vgl. Hampden-Turner/Trompenaars, Seven Cultures, S.246.

491  Vgl. Daun, mentalitet, S.118.

492  Britton, Schweden, S.3.

493  Vgl. ebd., S.3.

494  Ferraro, cultural dimension, S.18.

495  Ebd.

496  Vgl. Ehn, inlevelse, S.242 f.

497  Vgl. Schwedisches Institut, Ausbildung, S.1.

498  Ehn, inlevelse, S.243; Übersetzung d. Verf.: „Die Tagesstätte repräsentiert viele von jenen Eigenschaften, die als besonders schwedisch angesehen wurden: Kompromissdenken, das Streben danach, rationelle Lösungen zu finden, Mittelmäßig-ist-am-besten-Denken, Ordnungssinn, die soziale Sorgfalt, Naturliebe und sogar Antimysthizismus“

499  Vgl. Austrup, Schweden, S.50.

500  Vgl. Laine-Sveiby, Svenskhet, S.42 f.

501  Vgl. Bengts/Bruno/Nilson-Puccio, svenska koden, S.28 f.

502  Porter, Wettbewerbsvorteile, S.97.

503  Ebd.

504  In Anlehnung an Magisterarbeit der Verfasserin, S.29 ff.

505  Vgl. Austrup, Schweden, S.39.

506  Vgl. ebd.

507  Ebd.

508  Vgl. ebd., S.39 f.

509  Vgl. Zetterberg/Ljungberg, Vårt land, S.3.

510  Vgl. Brynielsson/Svensson, Kooperation, S.119 f.

511  Vgl. ebd., S.121.

512  Vgl. ebd.

513  Vgl. Bengts/Bruno/Nilson-Puccio, svenska koden, S.24.

514  Schwedisches Institut, Gleichstellung, S.1.

515  Vgl. ebd.

516  Vgl. ebd.

517  Vgl. ebd.

518  Vgl. ebd.

519  Vgl. ebd., S.2 ff.

520  Vgl. Bengts/Bruno/Nilson-Puccio, svenska koden, S.25.

521  Vgl. Austrup, Schweden, S.50.

522  Vgl. Brynielsson/Svensson, Kooperation, S.121 f; vgl. Bengts/Bruno/Nilson-Puccio, svenska koden, S.13.

523  Vgl. Fuchs, vara svensk, S.9 ff.; vgl. Bengts/Bruno/Nilson-Puccio, svenska koden, S.15 f.

524  Schwedisches Institut, Gleichstellung, S.1.

525  Vgl. ebd.

526  Vgl. ebd., S.1 f.

527  Vgl. ebd., S.2.

528  Vgl. ebd.

529  Vgl. ebd., S.3.

530  Vgl. ebd.

531  Vgl. ebd.

532  Vgl. Wiles, Arbeitszeiten, S.1.

533  Vgl. ebd., S.1 f.

534  Vgl. ebd., S.1 ff.

535  Vgl. ebd.

536  Vgl. Ammon/Knoblauch, Managementstil, S.228 ff.

537  Vgl. Daun, mentalitet, S.232 f.

538  Vgl. Austrup, Schweden, S.28.

539  Vgl. Austrup, Schweden, S.32.

540  Dieser Abschnitt ist der Magisterarbeit der Verfasserin entnommen, S.29.

541  Strömholm, Identität, S.110 f.

542  Vgl. Schwedisches Institut, Wirtschaft, S.1.

543  Vgl. ebd.

544  Vgl. ebd.

545  Vgl. ebd.

546  Hedlund, Swedish Model, S.204.

547  Ebd., S.201.

548  Hampden-Turner/Trompenaars, Seven Cultures, S.235.

549  Vgl. Schwedisches Institut, Wirtschaft, S.1.

550  Vgl. Schwedisches Institut, Industrie, S.6.

551  Vgl. Schwedisches Institut, Wirtschaft, S.1.

552  Vgl. Schwedisches Institut, Industrie, S.5.

553  Vgl. ebd., S.1.

554  Vgl. ebd.



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